Gerichtsgutachten

Veröffentlicht von Marcus am

Röntgenbefunde und Pferdekauf, Teil I:

Fohlenkauf und Röntgenbefund (gelenknahe Zyste)

Vor wenigen Tagen hatte ich bei  einem Gerichtstermin wieder ein Gutachten zu erläutern, bei dem es um einen Fohlenkauf, einen Röntgenbefund und eine Lahmheit ging.

Die Käufer/Kläger hatten eine Kaufpreisminderung bis zum Schlachtpreis verlangt, weil das (inzwischen zweijährige) Pferd aufgrund dieses -erheblich normabweichenden -Röntgenbefundes mangelbehaftet und als Reitpferd, auch als Zuchtstute ungeeignet sei.

SCHEINT einfach, ist es aber nicht.

In Zusammenhang mit Röntgenbefunden gibt es häufig profunde Missverständnisse:

Bei vielen Pferdehaltern hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass man auf Röntgenbildern  Lahmheitsursachen erkennen könne.

NEIN-kann man nicht. Warum nicht?

Weil Röntgenbefunde in der Vergangenheit abgelaufene Um-und Anbauprozesse knöcherner Strukturen reflektieren. Nicht mehr und nicht weniger.

Ob diese Strukturen schmerzhaft , d.h. lahmheitsursächlich sind oder jemals werden ist grundsätzlich NICHT auf einer Röntgenaufnahme zu erkennen.

  1. h. Röntgenaufnahmen ermöglichen als solche (ohne sorgfältige klinische Untersuchung) grundsätzlich keine Abklärung der Lahmheitsursache.

Voraussetzung jeder Lahmheitsdiagnostik ist die sorgfältige klinische Untersuchung. Der lahmheitsverursachende Schmerz muss zunächst lokalisiert werden, erst dann können bildgebende Verfahren die Untersuchungsbefunde sinnvoll ergänzen.

Ergebnis der Gesamtbetrachtung ist im günstigen Fall  eine ( richtige oder falsche) Diagnose.

Röntgenbefunde und Pferdekauf , Teil II

Bei vielen Käufern hält sich hartnäckig die Vorstellung, der „TÜV“ sei eine Art Garantiekarte und  aus normabweichenden Röntgenbefunden könne man Lahmheitswahrscheinlichkeiten ableiten.

NEIN- kann man nicht. Warum nicht ?

Weil das Pferd ein Lebewesen ist und es für derartige Vorhersagen keine wissenschaftliche Grundlage gab und gibt.

Die 2018 überarbeitete Fassung des Röntgenleitfaden verzichtet daher auf jegliche Wahrscheinlichkeitsangaben zum Lahmheitsrisiko.

Röntgenaufnahmen können im Rahmen einer Kaufuntersuchung besondere Risiken aufzeigen- eine Prognose erlauben sie nicht, auch nicht hinsichtlich der zukünftigen Sporttauglichkeit, der statistischen Lahmheitswahrscheinlichkeit oder Belastbarkeit von Pferden.

Die Bedeutung von Röntgenbefunden wird nach wie vor erheblich überschätzt, und zwar generell , nicht nur in Zusammenhang mit dem Pferdekauf.

Die Bedeutung der klinischen Untersuchungsbefunde hingegen wird regelmäßig unterschätzt.

Röntgenbefunde und Pferdekauf , Teil III

Bedeutung im konkreten Fall in Hinblick auf die Beweisfragen des Gerichts (Kernaussage):

Ob der Röntgenbefund überhaupt jemals lahmheitsursächlich bei dem Fohlen war, war nicht mehr zu klären.

Eine Diagnose war nicht gestellt. Das Fohlen wenig später lahmfrei.

Der Röntgenbefund lag bei er zwischenzeitlich zweijährigen Stute unverändert vor. Die Lahmheit nicht. Das Pferd war lahmfrei.

Der tatsächlich nach wie vor vorliegende, erheblich normabweichende  Röntgenbefund ist ein Risiko, erlaubt als solcher jedoch keine Prognose. D.h. die Behauptung der Kläger, dass die Stute auf Grund des Röntgenbefundes unbrauchbar für Sport und Zucht sei, konnte sachverständig nicht bestätigt werden.

Gleichwohl lag eine Wertminderung vor. Dazu später mehr unter:

Röntgenbefunde und Verkehrswert

Kategorien: Allgemein

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner