Anweiden und Hufrehe – tiermedizinisches Gutachten zur Haftung eines Stallbetreibers

Veröffentlicht von Antje Rahn am

Horse Tinker

In vorliegendem Rechtsstreit ging es um ein, auf Grund einer schweren Hufrehe euthanasiertes Pferd und die Haftung des Stallbetreibers. Durch ein tiermedizinisches Sachverständigengutachten sollte die Frage geklärt werden, ob die Erkrankung durch ein nicht sachgerechtes Anweiden der Pferde verursacht war. 

Hufrehe

Als Hufrehe (Laminitis) wird eine aseptische, d.h. nicht durch Infektionserreger verursachte Entzündung der Huflederhaut beim Pferd bezeichnet.

Dabei kann sich die Hornkapsel von der Lederhaut lösen.

Bei ungünstigem Verlauf kann es zur sog. Hufbeinrotation und zum Absinken des Hufbeins bis hin zum sog. „Ausschuhen“ kommen.

Dies infolge einer irreversiblen Schädigung der Hufbeinaufhängung des Hufbeintrageapparates, der das knöcherne Hufbein mit der Innenseite des Hufes verbindet.

Dieser Hufbeinträger besteht im Wesentlichen aus den Lederhautblättchen (Lamellen), die bei einer Hufreheerkrankung entzündlich verändert sind, daher auch die Bezeichnung Laminitis.

Bei einer Entzündung und infolgedessen entstehenden Durchblutungsstörungen des Hufbeintrageapparates kommt es im Bereich der Huflederhaut zu starken Schwellungen und zu Flüssigkeitsaustritt.

Durch die starre Hufkapsel und die Nervenversorgung in diesem Bereich verursacht der entstehende Druck sehr starke Schmerzen. Die Pferde versuchen durch sägebockartige Stellung den Aufhängeapparat zu entlasten.

Der Flüssigkeitsaustritt fördert den Ablösungsprozess der ineinander greifenden Lederhautblättchen von den Oberhautblättchen.

Dies wird durch eine Verbreiterung der sog.  Weißen Linie an der Hufsohle erkennbar.

Bei Bestehen der Entzündung über 48 Stunden spricht man von einer chronischen Rehe, in deren Folge es zu einem Absinken des Hufbeins, und/oder einer Rotation des Hufbeines um das Hufgelenk kommen kann.

Bei schwerer Rehe kann es zur Verformung der Hufbeinspitze kommen. Bei ungünstigem Verlauf bricht die Hufbeinspitze durch die Sohle (Hufbeindurchbruch und Ausschuhen).

Ursachen der Hufrehe

Es gibt eine Vielzahl von Theorien und Erklärungsmodellen, die veterinärfachlich immer wieder modifiziert und erweitert worden sind. Bereits daraus ergibt sich, dass es sich um ein hochkomplexes Krankheitsgeschehen handelt. Dies ergibt sich auch bereits aus der Tatsache, dass innerhalb einer Herde/eines Stalls unter gleichen Haltungsbedingungen einzelne Pferde erkranken, andere nicht betroffen sind.

Die sog. Futter- auch Fütterungsrehe ist die am weitesten verbreitete Hufrehe und wird durch Fehlfütterung verursacht.

Früher standen dabei Einweiße im Focus, heute ist es die kohlenhydratüberladene Fütterung (Müsli, Getreide) mit den damit verbundenen Imbalancen der Darmflora.

Kohlenhydratüberladene Fütterung (Zucker, Stärke, Fruktane) kann über den massenhaften Untergang von Darmbakterien zur Freisetzung von Endotoxinen führen. Diese Toxine können durch die geschädigte Darmwand in den Blutkreislauf gelangen. Im Huf führen diese Gifte zu feinen Blutgerinnseln, die Durchblutung wird gestört.

Weidehaltung und Fruktane

Fruktane gehören zu den leicht vergärbaren Kohlenhydraten. Es handelt sich um Energiereserven der Pflanzen, die diese überwiegend in den Stängeln für das Wachstum und den Stoffwechsel speichern.

Im Frühjahr sind die höchsten Fruktangehalte in Pflanzen zu finden. Besonders an frostigen, sonnigen Morgen sollen die Pflanzen Fruktane produzieren und speichern, die erst bei Nachttemperaturen über acht Grad Celsius in Wachstum umgesetzt werden.

Im Frühjahr ist daher darauf zu achten, die Pferde langsam auf den Weidegang vorzubereiten und umzustellen, um plötzliche Veränderungen der Darmflora zu vermeiden.

Stoffwechselbedingte Hufrehe – metabolisches Syndrom und Cushing Syndrom

Ein Reheschub kann auch als Folge- oder Begleitkrankheit beim Cushing-Syndrom, Schilddrüsenerkrankungen oder Koliken auftreten.

Gehäuft tritt Hufrehe bei der Stoffwechselerkrankung Cushing-Syndrom auf, von der ältere Pferde betroffen sein können. So auch die streitgegenständliche Stute.

Das metabolische Syndrom

Das metabolische Syndrom, oft auch als Wohlstandskrankheit bezeichnet, ist eine Kohlenhydratstoffwechselstörung.

Betroffen sind leichtfuttrige, übergewichtige Pferde.

Überfütterung und Übergewicht sind unbestritten Risikofaktoren und eine häufige Ursache für eine Hufreheerkrankung.

Selten ist eine einzelne Ursache als Auslöser der Erkrankung zu verifizieren. Bei der Hufrehe handelt es sich um ein hochkomplexes Krankheitsgeschehen.

Was ist beim Anweiden von Pferden zu beachten?

Die Umstellung von der Stall- auf die Weidehaltiung ist mit einem veränderten Nährstoffangebot verbunden.

Der Gehalt an Eiweiß und Kohlenhydraten (Zucker, Fruktan) ist im Weidegras deutlich höher als im Heu, während der Anteil an Rohfaser geringer ist.

Da Gras auf Umwelteinflüsse reagiert, kann der Nährstoffgehalt deutlich schwanken. Witterung, Sonneneinstrahlung und Intensität der Beweidung können insbesondere auf den Fruktangehalt im Weidegras über die gesamte Weidezeit einen starken Einfluss nehmen.
Eine plötzliche Umstellung des Pferdes von Heu auf Weide verändert das Substratangebot der Mikroflora des Pferdedarms drastisch und kann dadurch zu empfindlichen Störungen des Gleichgewichts führen. Während sich Profiteure vermehren, gehen andere Mikroorganismen massenhaft unter, wodurch sog. Endotoxine freigesetzt werden.

Im ungünstigen Fall können Koliken, auch Reheschübe eine Folge sein. Aus diesem Grunde muss das Anweiden allmählich erfolgen.

Das Anweiden muss allmählich erfolgen, aber auch machbar sein

Andererseits muss der erforderliche Aufwand für das Anweiden einer Herde bei aller Vorsicht auch mit vertretbarem Aufwand für den Stallbetreiber machbar sein.

War das Anweiden vorliegend grob fehlerhaft erfolgt und ursächlich für die Reheerkrankung?

Vorliegend war die zentrale Frage des Prozesses, ob ein Anweiden mit anfänglich einer Stunde am Tag und an den Folgetagen jeweils Steigerung um eine Stunde grob fehlerhaft gewesen sei und die Reheerkrankung der streitgegenständlichen Stute verursacht habe.

In der Gesamtbetrachtung des vorliegenden Sachverhaltes war das Anweiden der Herde durch die Beklagte vertretbar erfolgt.

Die Erkrankung des Pferdes – Hufrehe und Rotation der Hufbeine beider Gliedmaßen- war nicht auf ein unsachgemäßes Anweiden zurückzuführen.

Vielmehr ergab sich, insbesondere auch aus den vorliegenden tierärztlichen Befunden über den Behandlungszeitraum von sechs Wochen, dass die Tinkerstute zu Erkrankungsbeginn deutlich übergewichtig (fett) gewesen sein dürfte.

Hinzu trat, dass die vorliegenden Laborbefunde auf ein Cushing-Syndrom hinwiesen, so dass die deutlich übergewichtige Tinker- Stute ein hohes Risiko hatte, an einer Hufrehe zu erkranken.

Kategorien: Allgemein

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner