Ein Pferd ist keine Waschmaschine

Veröffentlicht von Antje Rahn am

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https://www.pferdesachverstaendige-rahn.de/pferdekauf/Die Beweisthemen von Gerichtsgutachten befassen sich oft mit Fragen zur Sachmangelhaftung nach dem Pferdekauf.Mitunter hat man den Eindruck, dass Käufer erwarten, ein Pferd mit Garantie erworben zu haben, das zu funktionieren hat.

Dem ist nicht so.

Ein Pferd ist keine Waschmaschine, sondern ein Lebewesen.

Es kann sich verändern, es kann erkranken und es reagiert arttypisch. D.h. es kann erschrecken, ausschlagen, sich selbst oder Andere verletzen und bei unsachgemäßem Umgang auch vollständig unbrauchbar werden. So wie vorliegend.

Was war passiert ?

Das gekaufte Pferd war gestiegen, hatte sich überschlagen und war für die Klägerin unreitbar. Es ging um das Thema Rückenprobleme, Nackenbandentzündung, Unleidlichkeit, Unreitbarkeit, Aggressivität.

Die Stute sei nach dem Probereiten für eine Reitanfängerin gekauft worden, durch die sie jedoch nun nicht zu nutzen sei. Dies weil es gefährlich sei. Niemand wolle sich mehr auf das Pferd setzen, weil es bocke und steige.

Zudem läge es beim Satteln die Ohren an und habe nach einem anderen Pferd auf der Stallgasse und nach der Tochter der Klägerin geschlagen. Es habe Rückenschmerzen und das gesamte Nackenband sei entzündet. Das Pferd sei deshalb mangelhaft.

Die Besichtigung des Pferdes vor Ort

Bei der Besichtigung stellte sich heraus, dass die Stute empfindlich im Bereich des Genicks reagierte, dort lag auch der Röntgenbefund einer Insertionsdesmopathie vor.

Es bestand keinerlei Schmerzhaftigkeit im Rücken und der Hals war frei beweglich in alle Richtungen. Eine Entzündung des gesamten Nackenbandes lag also aktuell nicht vor. Rückenprobleme auch nicht.

Das Pferd wurde-da es nicht reitbar sei- bei der Besichtigung an der Longe vorgestellt.

Dabei wurden Dreieckszügel verwendet. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass die Stute von Anfang an mit nach Gusto verschnallten Dreickszügeln longiert und geritten worden war und weiterhin so longiert wurde. Andere Ausbinder kenne man gar nicht. Ohne diese Ausbinder könne die Tochter auch gar nicht reiten. So ausgebunden war das Pferd  gestiegen und hatte sich überschlagen.

Zum Longieren wollten die Kläger die Dreieckszügel unsachgemäß kurz verschnallen.

Aus Gründen des Unfallschutzes wurde durch die Sachverständige eingegriffen, die Ausbinder sachgerecht verschnallt und das Pferd auf beiden Händen problemlos longiert.

Die Ursache des Steigens, des Überschlagens und der Überempfindlichkeit im Genick war hier offenkundig- unsachgemäßes Verschnallen von und unsachgemäßes Umgang mit Dreieckszügeln beim Longieren und Reiten.

Ob dieses Verhalten erst nach der Übergabe provoziert oder bereits im Verkäuferstall angelegt war, war keine Frage allein der sachverständigen Bewertung.

Exkurs Dreieckszügel:

Die Verwendung von sog. Dreieckszügeln (auch Lauferzügel) als Hilfszügel ist in der Pferdeausbildung verbreitet, sowohl beim Longieren als auch beim Anfänger-Reiten.

Es handelt sich dabei um einen Hilfszügel, der richtig und temporär eingesetzt helfen kann, dem Pferd die Dehnung an das Gebiss und die Arbeit über den Rücken näherzubringen.

Dreieckszügel finden auch im Bereich des Anfängerreitens Anwendung, hier mit anderem Hintergrund und Zweck.

Nur eine sachgemäße Anwendung kann jedoch hilfreich sein.

Unsachgemäße Anwendung hingegen kann nicht nur die gymnastizierende Wirkung konterkarieren, sondern zu erheblichen gesundheitlichen Schäden und Verhaltensauffälligkeiten beim Pferd führen.

So zwingt ein zu kurz verschnallter Dreieckszügel das Pferd in eine unnatürliche Kopf-Hals-Position und verhindert die für die Gesunderhaltung und Korrespondenz der Bewegung notwendige Vorwärts-abwärts-Dehnung.

Die Folge ist vermehrter Druck auf das Genick, insbesondere im Bereich des Ansatzes des Nackenbandes am Hinterhauptbein.

Dieser Bereich ist sehr empfindlich und stark innerviert.

Es kann zu schmerzhaften Reizungen und entzündlichen Prozessen im Übergangsbereich zwischen Nackenband und Schädel kommen, die zu Schwellungen, Druckstellen oder Hyperästhesien im Genickbereich führen- so wie vorliegend.

Durch die erzwungene Haltung bei zu enger Verschnallung können sich muskuläre Verspannungen im Bereich der Hals- und Rückenmuskulatur entwickeln. Blockaden der oberen Halswirbelsäule (v. a. Atlanto-Occipital- und Atlanto-Axial-Gelenk), Einschränkungen der Genickbeweglichkeit und Vermeidungshaltungen, bei denen das Pferd den Rücken wegdrückt, um dem unangenehmen Druck zu entgehen, können eine Folge sein.

Solche Blockaden können sich auch sekundär auf die Lendenwirbelsäule und die Hinterhandmotorik auswirken.

Insbesondere jedoch kann der Druck im Genick zu plötzlich heftigem Abwehrverhalten führen.

Wenn nämlich das Pferd bei dem Versuch den Kopf zu heben durch den Dreieckszügel im Genick blockiert wird, so kann dies eine heftige Gegenreaktion erzeugen. In schweren Fällen kann es zu Panikreaktionen kommen.

Die Pferde versuchen sich zu befreien, steigen und können sich-da der Druck im Genick nicht nachlässt- überschlagen.

Diese typische, reflexhafte Gegenreaktion der Pferde auf starren Druck im Genick (z.B. auch beim „ins Halfter hängen“) kann zu schweren Unfällen führen und ist mit hohen Verletzungsrisiken für Mensch und Tier verbunden.

Fazit

Der Dreieckszügel kann ein sinnvolles Hilfsmittel in der Ausbildung und Gymnastizierung des Pferdes sein und wird auch bei der Ausbildung von Anfängern verwendet. Dies jedoch nur bei sachgemäßer Anwendung.

Bei unsachgemäßer Anwendung hingegen kann es zu schmerzhaften Entzündungen im Genickbereich, Bewegungsblockaden im oberen Halsbereich, auch zu gefährlichem Abwehrverhalten, Panikreaktionen und Unfällen kommen.

Schmerzhafte Veränderungen im Bereich des Genicks, des Nackenbandes und des Rückens können eine Folge andauernden unsachgemäßen Gebrauchs solcher Hilfszügel sein.

Das bei dem streitgegenständlichen Pferd offenbar vorliegende -im Grunde durchaus arttypische- Verhaltensmuster, auf unnachgiebigen Druck im Genick mit heftiger Gegenreaktion zu antworten, hatte das Pferd für die Klägerin unbrauchbar gemacht.

Denn ohne Ausbinder konnte sie das Pferd gar nicht reiten,

Mit Ausbindern wiederum, insbesondere mit Dreieckszügeln resultierten bei diesem Pferd auf Grund dessen Erfahrungen unwägbare Unfallrisiken.

 

Ein Pferd ist keine Waschmaschine

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Kategorien: Allgemein

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